Blauen Narzisse. LÜGEN DES WESTENS (Dragana Trifkovic)Published: Blauen Narzisse. 20.11.2014.

Die serbische Publizistin Dragana Trifkovic ist Direktorin des Belgrader „Center for Geostrategic Studies“. Sie beobachtete die Wahlen in der Ostukraine vor Ort. Ein Gespräch.

BlaueNarzisse.de: Frau Trifkovic, die meisten westlichen Medien berichteten, die Wahlen in den beiden Volksrepubliken der Ostukraine vom 2. November wären gefälschte Wahlen gewesen. Sie waren dort. Was haben Sie gesehen?

Dragana Trifkovic: Die westlichen Medien leben seit sehr langer Zeit in einem Paralleluniversum. Aber mit der Realität, in der reale Dinge im Leben der Menschen passieren, hat diese Propaganda nichts zu tun. Wenn Sie zuerst an den Zweck dieser Wahlen denken, dann werden Sie darin übereinstimmen, dass die Menschen ein Bedürfnis haben, ihren Willen auszudrücken und die Politiker zu wählen, die ihre Interessen vertreten. Leider bietet der Westen nicht mehr diese Möglichkeit an. Die sogenannte Demokratie nach den heutigen Regeln ist nicht mehr angemessen. Sie ist sogar extrem antidemokratisch. Das US-amerikanische System wurde in den europäischen Ländern durchgesetzt. Es ermöglicht angeblich eine freie Wahl, doch die ist auf die Wahl zwischen zwei Seiten derselben Medaille beschränkt.

Was bedeutet etwa die Wahl zwischen Sozialisten und Bürgerlichen, wenn sie beide eine Politik in Übereinstimmung mit den Interessen der globalen Oligarchie betreiben? Wie ist es möglich, dass der gewaltsame Umsturz vom Kiewer Maidan vom Westen als legitim betrachtet wird – und die freie Wahl in den ostukrainischen Volksrepubliken dagegen als inakzeptabel und falsch?

Ich war als Beobachterin im Gebiet von Lugansk vor Ort. Die Wahlen wurden sehr gut organisiert, insbesondere unter dem Aspekt einer Durchführung inmitten des Krieges. Die Wahlbeteiligung war hoch. Bereits am frühen Morgen warteten die Menschen in Schlangen, um wählen zu können. Wir sprachen mit den Menschen und begriffen, dass die Wahlen für sie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verkörperten. Doch wir sahen auch zerstörte Häuser, Schulen und Fabriken.

In Deutschland dagegen hieß es, die Regierung der Volksrepubliken Donezk und Lugansk hätten ihre Bevölkerung gezwungen, an der Wahl teilzunehmen. Gebäude, die früher zur Stimmabgabe genutzt wurden, sollen geschlossen worden sein. Damit hätten künstliche, öffentlichkeitswirksame Schlangen vor anderen Gebäuden erzeugt werden sollen…

Das ist nicht wahr! Die Menschen wollten wählen und in diesen Wahlen sahen sie die Möglichkeit, ihre Regierung auszutauschen.

Aber die bisherige Führung der Volksrepubliken wurde doch wiedergewählt?

dragana trifkovic2Die Einwohner von Donezk und Lugansk wollten die aktuellen Machthaber aus Kiew demokratisch abwählen, nicht die Selbstverteidigungskräfte!

Wie erwähnt: Wir sprachen mit den Menschen an den Wahllokalen. Alles wurde auf Video aufgenommen. Sie erzählten uns, dass sie selbst darüber entscheiden wollten, wem sie die Macht geben – anstatt den US-Amerikanern oder den Oligarchen. Die Wähler berichteten uns auch von ihrem Leiden seit Kriegsbeginn. Und sie verstehen nicht, warum die ukrainische Armee auf sie und ihre Häuser schießt. Die Schlangen haben sich aufgrund der hohen Wahlbeteiligung gebildet. Es gab keinen Zwang. Die Wahlen waren frei und demokratisch.

Welche Rolle spielte dabei die russische Armee?

Die russische Armee spielte keine Rolle bei dem in der Ukraine erzeugten Konflikt. Das Ziel des Westens war es von Beginn an, Russland zu provozieren und die russische Armee in den Krieg hineinzudrängen. Auf der einen Seite wurde Russland natürlich gebeten, den russischen Menschen in der Ukraine zu helfen. Auf der anderen Seite gab es die verbindliche Entscheidung, alle Anstrengungen für eine friedliche Lösung des Konflikts zu unternehmen. Putin ist an Rechtsstaatlichkeit und eine politischen Lösung gebunden. Die westlichen Medien aber erzeugen oft absichtlich Verwirrung: Sie unterscheiden nicht zwischen Selbstverteidigungskräften, Freiwilligen und der russischen Armee.

Sie selbst kommen aus Serbien. Warum haben Sie sich überhaupt entschieden, Russland und die Selbstverteidigungskräfte der Ostukraine zu unterstützen?

Serbien war ein Teil Jugoslawiens, also des Gebietes, in dem Bürgerkriege Ende des letzten Jahrhunderts stattfanden. Ich will hier betonen, dass die Serben diejenigen waren, die die Gründung Jugoslawiens initiierten und sowohl den Ersten als auch den Zweiten Weltkrieg mit gewonnen haben. Anders war es bei den Kroaten: Sie standen auf der Gegenseite – nichtsdestotrotz wurden sie in Jugoslawien akzeptiert.

Dasselbe jugoslawische Szenario wiederholt sich heute in der Ukraine. Der Westen hat die Extremisten und Fanatiker unterstützt, um eine Seite beschuldigen zu können und die Opfer in Aggressoren zu verwandeln. Während des Krieges in Ex-Jugoslawien trainierten und bewaffneten US-Generäle die kroatischen Truppen mithilfe privater Militärunternehmen. Kroatische Streitkräfte wiederum jagten Serben aus deren angestammter Heimat, mit US-amerikanischer Unterstützung. Und sie unterstützten auch die muslimischen Extremisten in Bosnien. Niemand wurde dafür verantwortlich gemacht. Auch nicht für die Bombardierung Serbiens, die internationales Recht verletzte und auf falschen Anschuldigungen beruhte.

Heute wiederum können wir sehen, wie US-amerikanische Politiker die Extremisten in der Ukraine unterstützen und private US-Militärfirmen dort operieren. Und diesmal wird Russland fälschlicherweise beschuldigt. Die Selbstverteidigungskräfte waren gezwungen, ihr eigenes Recht auf Leben und ihr Recht auf die Verständigung in der eigenen Sprache und dem eigenen Alphabet zu erkämpfen. Es wurde eine grausame Schlacht in Gang gesetzt, eine Schlacht für die Menschenrechte – und nicht für das, was die USA durchsetzen wollen. Der Westen würde gern Russland als Aggressor darstellen. Aber es genügt, auf die Landkarte zu schauen und die Stützpunkte der USAund der NATO ausfindig zu machen. Diese haben Russland umzingelt. Daraus lässt sich klar begreifen, wer der Aggressor ist!

Die meisten der westlichen Medien berichten, anders als im Falle von Donezk und Lugansk, die Einwohner des Kosovos sollten in der Lage sein, selbst über ihre Zukunft und ihre Regierung zu entscheiden. Was denken Sie darüber? Und was über die Legitimität der „Republik Kosovo“?

Ich betrachte das Problem des Kosovos und Metohijas, also des westlichen Teils der illegitimen Republik Kosovo, aus einem sehr einfachen Blickwinkel – vergleichbar zur Ukraine. Der Kosovo und Metohija bilden einen historischen Teil Serbiens. Es ist ein Gebiet, mit dem die Serben geistig verbunden bleiben. Die Ukraine war wiederum ein integraler Bestandteil Russlands. Dort gibt es auch eine starke spirituelle und historische Verbindung, eben zwischen Russland und der Ukraine. Letztere wurde nach dem Kollaps der Sowjetunion unabhängig. Bei diesem Thema machen sich die doppelten Maßstäbe des Westens deutlich bemerkbar!

Die USA haben die Grenzlinien neu gekennzeichnet und neue „Nationen“ begründet, um ihre ökonomischen und politischen Interessen durchzusetzen. Das Kosovo wurde von Serbien durch NATO-Bomben getrennt und später durch deren aggressive Politik, die auch den Bruch des internationalen Völkerrechts herbeiführte.

Außerdem war es beabsichtig, die Ukraine von Russland zu trennen. Die Widersprüche innerhalb dieser Taktik basieren auf den Interessen der Vereinigten Staaten, nicht auf internationalem Recht. Die USA zögern nicht und sind bereit beispielsweise mit den Terroristen der „Kosovo Liberation Army“ (UÇK) zusammenzuarbeiten, um ihre Ziele zu erreichen. Der Kosovo ist kein Staat und wird es nie sein. Innerhalb der gegenwärtigen geopolitischen Veränderungen hat eine Lösung dieser Themen bezüglich der von Serbien entfremdeten Provinz noch nicht einmal begonnen. Wir aber glauben, dass die internationale Gemeinschaft damit die Rechtsstaatlichkeit neu festlegt.

Sie sind Direktorin des Center for Geostrategic Studies in Belgrad. Was würden Sie uns Deutschen, aber auch unserer Regierung, zu den erwähnten geopolitischen Konflikten raten?

Es ist offensichtlich, dass die USA Konflikte zwischen Deutschland und Russland erzeugen. Sie wollen die Kontrolle über die internationalen Beziehungen behalten. Doch Russland und Europa sind geopolitisch miteinander verbunden. Ein Spalt zwischen ihnen wäre alles, aber keinesfalls natürlich und selbstverständlich. Deutschland hat enge ökonomische Beziehungen zu Russland – und dabei sollte es bleiben! Was die deutsche Regierung betrifft: Sie sollte die Interessen ihrer Bürger vertreten und nicht die von Washington oder Brüssel. Kompromisse auf ihre eigene Kosten und andauernde Rückzüge werden nicht zu positiven Ergebnissen führen. Die Wiederholung historischer Fehler und eines Konflikts mit Russland kann nur zu einem neuen Desaster führen. Deutschland braucht politische Machtmittel, um seine eigenen Interessen zu verteidigen. Das bedeutet auch Ungehorsam gegenüber Washington!

Frau Trifkovic, vielen Dank für das Gespräch!

Oberes Bild: Dragana Trifkovic

Unteres Bild: Trifkovic im ostukrainischen Lugansk